Pressemitteilung
Klinische Studien: Deutsche Teilnahmekontingente besser ausschöpfen!
Viele Gründe sprechen dafür, sich als Patientin oder Patient im Rahmen einer klinischen Studie behandeln zu lassen, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Dennoch bleiben in Deutschland allzu oft Teilnahmegelegenheiten ungenutzt, zum Nachteil für die Erkrankten, das medizinische Personal, das deutsche Gesundheitssystem und die Studieninitiatoren (meist Pharmaunternehmen). Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) hat mit der Beratungsagentur Vintura die Gründe dafür untersucht und Empfehlungen erarbeitet, wie dieses Defizit überwunden werden kann. Eine davon: die Einrichtung eines laienverständlichen Online-Studienregisters.
Bei klinischen Studien mit Arzneimitteln ist die erforderliche Zahl an Teilnehmenden von Anfang an festgelegt. Ist die Studie multinational, wird für jedes Land ein Teilnahmekontingent eingeplant. Schöpft dann ein Land sein Kontingent nicht aus, muss der Studieninitiator versuchen, das durch Gewinnen zusätzlicher Teilnehmender in den anderen Ländern auszugleichen.
Deutschland steht in dem Ruf, dass hier besonders oft Teilnahme-Plätze ungenutzt bleiben. Doch aufbauend auf der Analyse von Vintura empfiehlt Dr. Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung des vfa, einige konkrete Maßnahmen, die Abhilfe schaffen können:
- Erwerbstätige Patientinnen und Patienten scheuen oft den mit einer stationären Studienteilnahme verbundenen Arbeitsausfall. Arzneimittelstudien sollten daher so weit wie möglich ambulant durchgeführt werden.
- Das ärztliche Personal der Kliniken kann den organisatorischen Teil von Studien oft kaum bewältigen. Daher sollten zu ihrer Unterstützung mehr Studienkoordinatorinnen und -koordinatoren ausgebildet und eingestellt werden.
- Arzt- und Klinikinformationssysteme sollten künftig automatisch darauf hinweisen, wenn für einen Patienten oder eine Patientin eine passende Studie läuft. Interessierte sollten auch selbst in einem laienverständlichen Register Studien finden können. Die Arzneimittelbehörden BfArM und PEI verfügen über alles, um ein solches Register aufzubauen.
- In Deutschland sollte eine zentrale Datenbank mit anonymisierten Daten von Patientinnen und Patienten eingerichtet werden, über die an geeignete Personen Einladungen zur Studienteilnahme übermittelt werden können.
Im persönlichen und nationalen Interesse
Wichtige persönliche Gründe für eine Teilnahme an einer Arzneimittelstudie sind unter anderem die intensivere medizinische Betreuung und die Chance auf eine womöglich wirksamere oder verträglichere Behandlung jenseits der Routineversorgung. Interesse an einer starken deutschen Beteiligung an klinischen Studien hat aber auch die Bundesregierung deutlich gemacht. Dazu Meergans: „Für die Pharmaunternehmen ist klar, dass sich dieses anspruchsvolle Ziel nur gemeinsam mit den anderen an den Studien beteiligten Akteuren erreichen lässt. Und es unterstreicht, wie dringlich es ist, die genannten Handlungsempfehlungen zügig umzusetzen.“
Berechnungen für zwei Krankheiten
Für zwei Krankheiten – chronische lymphatische Leukämie (CLL) und systemischen Lupus erythematodes (SLE) – hat die Beratungsagentur Vintura exemplarisch durchgerechnet, in welchem Maße die deutschen Teilnahmekontingente in multinationalen Studien ungenutzt blieben. Vintura wertete dazu Einträge von 2017 bis 2022 aus der InGef-Forschungsdatenbank des Berliner Instituts für angewandte Gesundheitsforschung Berlin (InGef) aus, in der anonymisierte medizinische Informationen von rund vier Millionen Versicherten hinterlegt sind. Zusätzlich interviewte sie Expertinnen und Experten aus dem haus- und fachärztlichen Bereich.
Jan-Philipp Beck, Partner bei Vintura, fasst zusammen: „Für Arzneimittel-Studien zur CLL konnten im Untersuchungszeitraum nur 86 von geplanten 94 deutschen Teilnehmenden rekrutiert werden, für solche zu SLE sogar nur 21 von geplanten 121. In beiden Fällen gab es aber in Deutschland ein Vielfaches an Patienten und Patientinnen, die den Ein- und Ausschlusskriterien entsprochen hätten. Die schlechten Teilnahme-Quoten wären also im Prinzip vermeidbar gewesen. In Interviews konnten wir anschließend Ursachen für die unvollständige Rekrutierung identifizieren. Die sind in die Handlungsempfehlungen eingegangen.“