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Beschränkungsvorschlag von Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen

Worum geht es?

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) werden aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften und weitreichenden Einsatzmöglichkeiten in vielen Industrie-Branchen eingesetzt. Da sie allerdings auch selbst persistent sind oder in der Umwelt zu persistenten Substanzen abgebaut werden und sich dort anreichern können, werden sie auch als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet. Auf Grund dieser Eigenschaften haben Behörden der Mitgliedsstaaten Deutschland, Niederlande, Schweden, Norwegen und Dänemark am 13. Januar 2023 einen Vorschlag für eine Beschränkung dieser Chemikaliengruppe bei der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA) eingereicht. Durch den Beschränkungsvorschlag soll die Herstellung, das Inverkehrbringen sowie die Verwendung von PFAS als solche und als Bestandteil anderer Stoffe verboten werden. Das Hauptziel des Vorschlags ist es, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen von PFAS zu schützen und die Emission von PFAS zu minimieren.

Wie wird es umgesetzt?

Der Beschränkungsvorschlag von PFAS gibt einen Überblick über die Stoffidentität, die Gefahren- und Risikobetrachtung, die Verwendung, die Verfügbarkeit von Alternativen und eine sozioökonomische Analyse. Diese Punkte werden im Folgenden näher erläutert:

Gefahr, Exposition und Risiko

Stoffidentität

Bei PFAS handelt es sich um eine Gruppe synthetischer organischer Chemikalien. Im Sinne dieses Beschränkungsvorschlags sind PFAS Stoffe mit mindestens einem vollständig fluorierten Methyl- (CH3-) oder Methylin (-CH2-) Kohlenstoffatom, ohne das daran Wasserstoff, Brom, Chlor oder Iod gebunden ist. In anderen Worten sind PFAS Stoffe mit mindestens einer CF3-X oder X-CH2-X' Verbindung, wobei

  • X = -OR oder -NRR' und
  • X' = Methyl (-CH3), Methylen (-CH2-), eine aromatische Gruppe, eine Carbonylgruppe (-C(O)-), -OR'', -SR'' oder NR''R''' ist.

Die Variablen R/R'/R''/R''' können dabei ein Wasserstoff (-H), Methyl (-CH3), Methylen (-CH2-), eine aromatische Gruppe oder eine Carbonylgruppe (-C(O)-) darstellen.

Durch diese Definition werden ca. 10.000 spezifische chemische Verbindungen erfasst, die vom Beschränkungsvorschlag als Einzelstoffe, als Bestandteil sowie in Gemischen und Erzeugnissen definiert werden.

Stoffeigenschaften

Ausschlaggebend für die Einreichung des Beschränkungsvorschlags für PFAS sind die Eigenschaften dieser Chemikalienklasse. Dazu zählen:

  • Wasser-, öl- und schmutzabweisend
  • Beständigkeit unter extremen Bedingungen wie beispielsweise Temperatur, Druck, Strahlung, Chemikalien
  • Elektrische und thermische Isolation
  • Effiziente Kältemittel
  • Oberflächeneigenschaften
  • Sehr hohe Persistenz in Kombination mit
    • Bioakkumulation
    • Moblität
    • Langstreckentransportpotenzial
    • Anreicherung in Pflanzen
    • (Öko)toxikologische Wirkung
    • Hormonelle Wirkungen
    • Mischungseffekte

PFAS, die unter den Beschränkungsvorschlag fallen, sind im Allgemeinen entweder selbst sehr persistent oder werden zu sehr persistenten Produkten abgebaut und infolgedessen auch als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet. Die Persistenz der PFAS übersteigt die Kriterien für sehr persistente Stoffe laut der REACH-Verordnung deutlich.

Mit einer Kombination der Eigenschaften gehen nachfolgende Bedenken einher:

  • Hohes Potenzial für ubiquitäre, zunehmende und irreversible Exposition der Umwelt und des Menschen
  • Schwierigkeiten bei der Behandlung kontaminierter Standorte

  • Hohes Expositionspotenzial für den Menschen über Lebensmittel und Trinkwasser

  • Potenziell generationsübergreifende Auswirkungen und Verzögerung der Auswirkungen

  • Möglichkeit der Verursachung schwerwiegender Wirkungen, obwohl diese in Standardtests nicht beobachtet werden

  • Die Abschätzung künftiger Expositionswerte und sicherer Konzentrationsgrenzen ist höchst unsicher

  • Potenzial zur globalen Erwärmung

Exposition von PFAS und deren Bewertung

Neben dem Verbleib persistenter Stoffe in der Umwelt und/oder der Persistenz von Abbauprodukten sind die Emissionen von PFAS laut dem Verbotsvorschlag die treibende Kraft für die zunehmende Belastung der Umwelt durch PFAS. Emissionen von PFAS entstehen

  • bei der Herstellung und Verarbeitung von PFAS,
  • bei der Produktherstellung,
  • in der Nutzungsphase und
  • in der End-of-Life-Phase.

In die Berechnung der Umweltemissionen fließen zudem zahlreiche weitere Faktoren mit ein, wie z.B.

  • die Geschwindigkeit der Freisetzung von PFAS in die Umwelt,
  • der physikalische Zustand der PFAS,
  • die PFAS-Anwendungen und
  • die Art der Abfall(vor)behandlung.

Die Emissionsberechnung im Verbotsvorschlag basiert in erster Linie auf der jährlichen PFAS-Tonnage, die auf den Markt des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gebracht wird. Dabei werden die Emissionen aus der Abfallphase nicht berücksichtigt.

Rund 850.000 t PFAS/Jahr (ohne Produktion) werden im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Stoffen, Gemischen und in Erzeugnissen verwendet. Die geschätzten jährliche Emissionen aus der Nutzungsphase (ohne Abfallphase) liegen bei ca. 75.000 t PFAS/Jahr. Der eigentliche Emissionswert wird Schätzungen zufolge deutlich über dem ermittelten Wert erwartet, da Emissionen der Abfallphase im geschätzten Wert nicht enthalten sind und nicht für jede Verwendung der PFAS eindeutige Emissionswerte ermittelt werden konnten. Ein Großteil der PFAS-Emissionen stammt laut Verbotsvorschlag aus der Anwendung fluorierter Gase, von TULAC (Textilien, Polstermöbel, Leder, Bekleidung und Teppichen) und Medizinprodukten.

    Folgenabschätzung

    Der Verbotsvorschlag enthält auch eine Folgenabschätzung, um zu zeigen, ob die Restriktion die geeignetste Risikomanagementoption zur Kontrolle der Risiken darstellt und um zu ermitteln, welche der Restriktionsoptionen (ROs) die beste Wahl ist.

    Aus diesem Grund bietet der Verbotsvorschlag einen Überblick derzeitiger Regulierungsmaßnahmen in der EU, wie z.B. die Stockholmer Konvention, die Regulierung von persistenten organischen Schadstoffen, das Montreal Protokoll und die REACH-Verordnung, unter welcher bereits einige Beschränkungen einzelner PFAS vorgenommen wurden. Es wird ebenfalls ein Blick auf die Gesetzgebung außerhalb der EU, sowie auf die Regulierung von Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln, biologischen und pharmazeutischen Produkten in der EU geworfen. Das Ergebnis des regulatorischen Risikomanagement ist, dass eine Beschränkung der effektivste und effizienteste Weg ist, um eine so große und komplexe Gruppe von Stoffen zu verwalten, die in zahlreichen Anwendungen eingesetzt werden. Eine weit gefasste Beschränkung im Rahmen von REACH würde alle PFAS als Gruppe abdecken. Dadurch würden

    • so viele Verwendungen wie praktisch möglich einsgechränkt und dadurch die Emissionen und die Exposition von Mensch und Umwelt gegenüber PFAS minimiert,
    • derzeit unbekannte PFAS und PFAS-Verwendungen einbezogen sowie
    • eine Substitution von eingeschränkten PFAS durch andere PFAS mit ähnlichen bedenklichen Eigenschaften verhindert.

    Beschränkungsoptionen

    Aus dem Grund, die Emissionen von PFAS und deren Wirkungen auf Mensch und Umwelt zu minimieren, wurden im Beschränkungsvorschlag im Rahmen von REACH zwei Beschränkungsoptionen vorgeschlagen:

    • Beschränkungsoption 1 (RO1): vollständiges Verbot ohne Ausnahmeregelungen und einer Übergangszeit von 18 Monaten.
    • Beschränkungsoption 2 (RO2): vollständiges Verbot mit nutzungsspezifischen zeitlichen begrenzten Ausnahmeregelungen (18 Monate Übergangszeit plus entweder fünf oder 12 Jahre Ausnahmeregelung bzw. zeitlich unbegrenzt für bestimmte Verwendungen).

      Bewertung der Beschränkungsoptionen

      Bei der Bewertung der Beschränkungsoptionen sind nachfolgende Punkte zu prüfen:

      • Sind die Beschränkungsoptionen auf das ermittelte Risiko ausgerichtet und beeinträchtigen nicht unbeabsichtigt Nutzerinnen und Nutzer oder Akteurinnen und Akteure in der Lieferkette, die nicht mit dem ermittelten Risiko in Verbindung stehen (Wirksamkeit)?
      • Steht der Aufwand, der von den Akteurinnen und Akteuren für die Umsetzung und von den Behörden für die Durchsetzung der Beschränkungsoptionen betrieben werden muss, in einem angemessenen Verhältnis zu den zu vermeidenden nachteiligen Auswirkungen?
      • Gewährleisten die Beschränkungsoptionen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen und sind kostenwirksam?

      Im vorgelegten Beschränkungsvorschlag wurden für jeden Sektor und deren zahlreichen Verwendungszwecke von PFAS mögliche vorhandene Alternativen betrachtet und die Kosten, die durch ein Verbot der Herstellung, Inverkehrbringung und Verwendung von PFAS bei allen Stakeholdern entstehen können, abgeschätzt. Des Weiteren wurden auch die Wirkungen der Beschränksoptionen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt bewertet. Die Einreicherinnen und Einreicher des Dossiers halten RO2 als die am besten geeignete Option, da sie einen Ausgleich zwischen den kurz- und den langfristigen Auswirkungen schafft. Es wird erwartet, dass RO2 zwar eine geringere Gesamtemissionsreduzierung aufweist, aber im Vergleich zu RO1 kurzfristig weniger schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. Außerdem wird bestimmten Verwendungssektoren die nötige Zeit eingeräumt, um ihre Produktionsprozesse und Produkte auf einen Ersatz von PFAS umzustellen. Es sollte jedoch beachtet werden, dass durch diese Verzögerung eines vollständigen Verbots von PFAS die Kostenbelastung durch Gesundheits- und Umweltauswirkungen auf zukünftige Generationen verlagert wird. Des Weiteren könnte diese RO aus Sicht der Industrie leichter umsetzbar sein, da derzeit offenbar noch nicht für alle Verwendungszwecke und Sektoren Alternativen zur Verfügung stehen und somit der Industrie die Möglichkeit gegeben wird, sich auf einen reibungslosen Übergang zu Alternativen vorzubereiten.

      Anwendung von RO2

      Eine zeitlich unbegrenzte Verwendung unter RO2 gilt für:

      • die Verwendung von PFAS in Kältemitteln in HLK-Anlagen in Gebäuden, in denen nationale Sicherheitsnormen und Bauvorschriften die Verwendung von Alternativen verbieten
      • die Verwendung von PFAS bei der Kalibrierung von Messgeräten und als analytische Referenzmaterialien
      • Wirkstoffe in Biozidprodukten im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012
      • Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009
      • Wirkstoffe in Human- und Tierarzneimitteln, die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, der Verordnung (EU) 2019/6 und der Richtlinie 2001/83/EG fallen

      Hersteller der ausgenommen Wirkstoffe haben der ECHA alle zwei Jahre nachfolgende Informationen mitzuteilen:

      • Ausnahmeregelung, zu der die beabsichtigte Verwendung gehört
      • Identität und Menge des in Verkehr gebrachten Wirkstoffs

      Eine Zusammenfassung der übermittelten Informationen hat die ECHA auf ihrer Webseite zu veröffentlichen.

      Für nachfolgende Anwendungen gelten außerdem folgende Übergangsfristen:

      6,5 Jahre nach Inkrafttreten für

      • Polymerisationshilfsmittel bei der Herstellung von polymeren PFAS, allerdings nicht für die Herstellung von PTFE, PVDF und FKM
      • Textilien für die Verwendung in Filtrations- und Trennmedien, die in Hochleistungsluft- und -flüssiganwendungen in industriellen oder gewerblichen Bereichen verwendet werden, die eine Kombination aus Wasser- und Ölabweisung erfordern
      • Kältemittel in Tieftemperaturkühlgeräten unter -50°C
      • Kältemittel in mobilen Klimaanlagen in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und mechanischem Kompressor
      • Kältemittel in Transportkühlungen, außer in der Schiffsanwendung
      • Isoliergase in Hochspannungsschaltanlagen (über 145 kV)

      13,5 Jahre nach Inkrafttreten für

      • Textilien, die in persönlicher Schutzausrüstung verwendet werden, die die Nutzerinnen und Nutzer vor den in der Verordnung (EU) 2016/425 genannten Risiken schützen soll
      • Textilien zur Verwendung in persönlicher Schutzausrüstung bei der Brandbekämpfung, die die Nutzerinnen und Nutzer vor den in der Verordnung (EU) 2016/425 benannten Risiken schützen soll
      • Imprägniermittel zur Nachimprägnierung
      • Kältemittel in Laborprüf- und -messgeräten, Kühlzentrifugen
      • Wartung und Nachfüllung bestehender HLK-Anlagen, die vor dem Inkraftreten des Verbots in Verkehr gebracht wurden
      • Industrielle Präzisionsreinigungsflüssigkeiten
      • Reinigungsflüssigkeiten zur Verwendung in sauerstoffangereicherten Umgebungen
      • Saubere Brandbekämpfungsmittel, wenn die derzeitigen Alternativen die zu schützenden Güter beschädigen oder ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen
      • Diagnostische Labortests
      • Zusätze zu Hydraulikflüssigkeiten für den Erosions-/Korrosionsschutz in Hydrauliksystemen in der Luft- und Raumfahrtindustrie
      • Schmiermittel, wenn die Verwendung unter rauen Bedingungen erfolgt oder die Verwendung für den sicheren Betrieb und die Sicherheit von Geräten erforderlich ist
      • Kalibrierung von Messinstrumenten und als analytische Referenzmaterialien

      Konzentrationslimits

      • PFAS dürfen nicht als eigenständige Stoffe hergestellt, verwendet oder in Verkehr gebracht werden
      • PFAS dürfen nicht in Verkehr gebracht werden in einem anderen Stoff als Bestandteil, in einem Gemisch oder in einem Erzeugnis in einer Konzentration von oder über
        • 25 ppm für einzelne PFAS
        • 250 ppm für die Summe der PFAS
        • 50 ppm für PFAS (einschließlich polymere PFAS)

      Weitere Aspekte im Verbotsvorschlag:

      • Analytische Methoden
      • Probenahmestrategie und Konzept für die Durchsetzung sowie die Überwachung
      • Ungewissheiten
      Seiten-Adresse: https://regulatorik-gesundheitswirtschaft.bio-pro.de/regulatorik-lotse/beschraenkungsvorschlag-von-und-polyfluorierten-alkylsubstanzen