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EU-Einheitspatent

EU-Aktionsplan für geistiges Eigentum – Können Unternehmen ihre Ideen nun besser schützen?

Am 01. Juni 2023 ist im Rahmen des EU-Aktionsplans für geistiges Eigentum das einheitliche Patentsystem mit Einheitspatent sowie Einheitlichem Patentgericht in Kraft getreten. Besonders der Schutz von Patenten sowie die Durchsetzung des geltenden Rechts soll für KMU nun einfacher werden.

Industrielle Forschung ist eine treibende Kraft für ein innovatives Wirtschaftssystem. Gezeigt hat dies erneut die Entwicklung des Corona-Impfstoffs - hat dieser doch den entscheidenden Wendepunkt in der Pandemie gebracht. Um solche Forschung von europäischen Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU), die besonders von der COVID-19-Krise betroffen waren, besser zu schützen, hat die Europäische Kommission im Oktober 2020 den Aktionsplan für geistiges Eigentum (Action Plan IP) angenommen.

Dabei sollte es Maßnahmen in fünf wichtigen Bereichen geben: Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums, Förderung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums durch KMU, Erleichterung der gemeinsamen Nutzung von geistigem Eigentum, Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie und bessere Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums und Förderung weltweit fairer Wettbewerbsbedingungen.

Innerhalb der EU ist das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (European Union Intellectual Property Office EUIPO) für den Schutz und die Anmeldung von Marke und Design zuständig. Patente werden über das Europäische Patentamt (EPA) angemeldet. Der zweite Punkt des Aktionsplans, die „Förderung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums“, erfolgt über das EUIPO und das EPA. Hier können KMU beispielweise die IP-Scan-Dienste in Anspruch nehmen, deren Gebühren im Rahmen des Aktionsplans für die Jahre 2022 bis 2024 zu 90 Prozent erstattet werden. Auch die Erstattung der Eintragungsgebühr für die Patentierung der Erfindung in einem Mitgliedstaat war möglich. Für eine bessere Bekämpfung von Produktpiraterie soll das zuständige EU-Amt, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF, im Rahmen des „Langfristigen Aktionsplans für eine bessere Durchführung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften“ gestärkt werden. Ferner ist eine EU-Toolbox in Planung, die Instrumente enthalten wird, um sowohl online als auch offline ein wirksames und koordiniertes Vorgehen gegen Fälschungen zu ermöglichen.

Europäische Patentanmeldung auf stabilem Niveau

Statistik über die Patentanmeldungen der EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2022
Die meisten Patentanmeldungen im Jahr 2022 kommen aus Deutschland, jedoch ist die Zahl rückläufig. © Europäisches Patentamt (EPA)

Laut EPA lag die Zahl der Patentanmeldungen aus den 39 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation im Jahr 2022 bei 83.955 Anmeldungen. (2021: 83.894, +0,1%). In Deutschland gingen die Zahlen jedoch auf 24.684 (-4,7%) zurück, während andere Länder deutlich zulegten (z. B. Irland 12,3%). Dabei nehmen die medizintechnischen Anträge mit 15.683 Anmeldungen den zweiten Platz direkt hinter der digitalen Kommunikation (16.705 Patente) ein. Pharmazeutische Patente belegen mit 9.310 Anträgen den fünften Platz in der Statistik des EPA. Doch wie soll nun dieses geistige Eigentum besser geschützt werden?

Ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans war die Implementierung des „europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung" oder kurz "Einheitspatent". Das einheitliche Patentsystem ist am 01. Juni 2023 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt hatten 17 Länder (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Slowenien) das Übereinkommen zum Einheitlichen Patentgericht ratifiziert, das zwingend mit dem Einheitspatent verknüpft ist.

Diagramme über die weltweite Verteilung von Patenten im Med-Tech-Bereich
Europa hat auch im Jahr 2022 die Führung bei den weltweiten Patentanmeldungen im Bereich der Medizintechnologie weiter geringfügig ausgebaut. © Europäisches Patentamt (EPA)

„Mit der Einführung des neuen Rechtsrahmens hat der Patentanmeldende auf europäischer Ebene, also neben den nationalen Patenten, die Wahlmöglichkeit zwischen (a) dem neuen europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung in den Hoheitsgebieten aller teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht (EPGÜ) ratifiziert haben. Und (b) wie bisher das „klassische“ europäische Patent, das ein Bündelpatent ist und nach Erteilung des Patents in nationale Teile für die letztlich gewünschten validierten Länder aufgeteilt wird“, erklärt Jutta Dillschneider, Fachanwältin für Medizinrecht bei PwC Legal in Mannheim, das Vorgehen bei der Patentanmeldung.

Die Wahl muss innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung der Erteilung getroffen werden. Für den zusätzlichen Schutz in Ländern, die nicht am Einheitspatent teilnehmen, wie zum Beispiel die Nicht-EU-Länder Großbritannien oder die Schweiz, bzw. das Übereinkommen nicht ratifiziert haben, wie zum Beispiel Spanien, ist eine Mischung aus den beiden Möglichkeiten notwendig.

Ein Patentgericht für die EU

Eng verknüpft mit dem Einheitspatent ist das Einheitliche Patentgericht (EPG). Das Gericht, das aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht in Luxemburg und einer Kanzlei besteht, hat seinen Hauptsitz in Paris, eine Abteilung in München und zahlreiche Standorte (Lokal- und Regionalkammern) in der EU, wie zum Beispiel auch in Mannheim. Es setzt sich daher auch aus Richterinnen und Richtern der teilnehmenden europäischen Länder zusammen. Der Vorteil wird schnell deutlich: Patentstreitigkeiten müssen nun nicht mehr in mehreren Mitgliedstaaten parallel durchgeführt werden. Das macht das Verfahren einfacher, und Kosten werden reduziert. Der mit dem Aktionsplan auf den Weg gebrachte Vorteil, dass geistiges Eigentum nun besser geschützt ist, kann erreicht werden, denn rechtsgültige Patente können besser durchgesetzt werden, da die Entscheidungen sowie die Forderung von Schadenersatz europaweit gelten. Umgekehrt gilt dies auch für einen möglichen Wegfall des Patentschutzes, sollte das Gericht gegen den Patentinhaber oder die -inhaberin entscheiden, was von einigen Unternehmen auch als Nachteil angesehen werden kann.

Vor- und Nachteile

Richterhammer und Gerechtigkeitswaage
Bei Uneinigkeit über ein Patent entscheiden die Gerichte. © Pexels/Sora Shimazaki

Ziel der EU war es, das Verfahren zur Patentanmeldung in Europa zu vereinfachen und auch kostengünstiger zu gestalten. Dillschneider erläutert den Kostenvorteil: „Ein Einheitspatent bietet einen umfassenden und einheitlichen territorialen Schutz sowie eine unternehmensfreundliche Höhe der Jahresgebühren. Es bietet damit ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und reduziert die Komplexität und die damit verbundenen Kosten. Berücksichtigt man beim Kostenvergleich nicht nur Jahresgebühren, sondern auch die Kosten in Zusammenhang mit der Validierung und Aufrechterhaltung eines klassischen europäischen Patents (Möglichkeit b), so wird deutlich, dass ein Einheitspatent deutlich günstiger als ein in vier Ländern validiertes und aufrechterhaltenes europäisches Patent ist. Folglich wird der Kostenvorteil des Einheitspatents umso größer, je höher die Zahl der Länder ist, in denen man ein klassisches europäisches Patent validieren würde.“ Doch natürlich ergeben sich auch Nachteile, so führt die Fachanwältin an, dass Patentinhaberinnen und -inhaber im Rahmen des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ einzelne Ländern nicht aus dem Patentschutz herausnehmen können. Ferner wird die Nichtigkeit eines Patents durch eine Klage vor dem EPG auch sofort für alle Länder gültig.

In einer Übergangsperiode von sieben Jahren (bis zum 01. Mai 2030) können Patentinhaberinnen und -inhaber einen Antrag auf ein sogenanntes Opt-out-Verfahren stellen. Mit diesem Verfahren wird die Zuständigkeit des EPG ausgeschlossen. Solange keine Klagen vor nationalen Gerichten vorliegen, kann der Opt-out auch widerrufen werden. Zahlreiche Patente wurden bereits in die sogenannte Sunrise Period (1. März bis Ende Mai 2023) vorzeitig ausoptiert. „Viele Unternehmen haben Bedenken, dass die Verfahren am EPG komplizierter und langwieriger werden. Bei den nationalen Gerichten kann man einschätzen, wie Dinge entschieden werden. Daher bleibt man lieber bei dem, was man kennt“, erklärt Dillschneider das Verhalten der Unternehmen.

Erweiterter Schutz für Arzneimittel

Porträtbild einer Frau mit halblangen Haaren in einem hellen Blazer.
Jutta Dillschneider ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Medizinrecht und vertritt unter anderem herstellende Unternehmen im Bereich Medizintechnik und Pharma. © PwC

Durch die sogenannten ergänzenden Schutzzertifikate (ESZ) für Arznei- und Pflanzenschutzmittel kann in der EU, aber zum Beispiel auch in den USA und Japan, der Patentschutz auf Antrag einmalig um bis zu fünf Jahre verlängert werden. Durch das neue Patentsystem fallen nun auch die ESZ in die Zuständigkeit des EPG. „Trotz des Vorhandenseins von zentralen Zulassungsverfahren für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in der EU, werden die ESZ aktuell von nationalen Behörden geprüft. Durch das Inkrafttreten des Einheitspatents soll nun auch ein einheitliches ergänzendes Schutzrecht ergänzt werden“, erklärt Dillschneider. Für Arzneimittel wurden seitens der EU-Kommission zwei Verordnungen vorgeschlagen, „COM(2023) 222 final“, für die Schaffung eines einheitlichen Schutzzertifikats für Arzneimittel, die ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung betreffen, sowie „COM(2023) 231 final“, um ein einheitliches Schutzzertifikat für Arzneimittel zu erzeugen, die durch ein Patent mit nationaler Wirkung geschützt sind. Die Anträge für die ESZ sollen durch eine zentrale europäische Prüfbehörde, die EUIPO, geprüft werden.

Die Vorschläge für Arzneimittel enthalten im Vergleich zur bisherigen Handhabung auch einige Neuerungen. So ist eine zusätzliche Verlängerung um weitere sechs Monate in Arbeit (Verordnung (EG) Nr. 1901/2006), wenn sich das ESZ auf ein Kinderarzneimittel bezieht und ein pädiatrischer Untersuchungsplan (PIP) vorgelegt wurde. Kritisch gesehen, u. a. durch den Bundesverband Deutscher Patentanwälte sowie die Mehrheit der befragten Industrieunternehmen, wird aktuell jedoch die im Rahmen des Aktionsplans auf den Weg gebrachte Zwangslizensierung. Mit den Zwangslizenzen soll das Schutzzertifikat keinen Schutz gegen die Herstellung von Arzneimitteln geben, wenn diese in Drittländer ausgeführt werden sollen, die Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit haben. Aber auch bei EU-weiten Krisen, wie beispielsweise der COVID-19-Pandemie, würde die Regelung zum Einsatz kommen, die sowohl für Patente und als auch ESZ gelten würde. Zurzeit liegt die Regelung zur Bearbeitung und Annahme bei der EU-Kommission.

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