Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde verabschiedet, um die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu kontrollieren. Innovative und neue Arzneimittel, die bei der Markteinführung keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden konnten, wurden als Ursache des Kostenzuwachses deklariert. Des Weiteren wird kritisiert, dass die hohen Kosten dieser innovativen und Spezial-Arzneimittel im Verhältnis zu ihrem oft geringen oder ausbleibenden therapeutischen Nutzen nicht gerechtfertigt sind.
Maßnahmen
Nachweis über einen Zusatznutzen
Für alle neuen Arzneimittel muss der Hersteller mittels Dossier Nachweise über einen Zusatznutzen gegenüber einer sich bereits auf dem Markt befindlichen zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) erbringen. Der Zusatznutzen wird im Rahmen der Klinischen Prüfung gegen die meist zu Beginn vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) empfohlenen zVT geprüft. Der Nachweis dient als Grundlage für die frühe Nutzenbewertung direkt nach der Markteinführung, die in einem Befund zur Preisfindung mündet. Die Ergebnisse des insgesamt sechsmonatigen Prozesses werden durch den G-BA veröffentlicht, nachdem dieser mithilfe des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das vorgelegte Dossier geprüft hat. Folgende drei Ergebnisse können erzielt werden:
- kein Zusatznutzen – das Arzneimittel wird dem Festbetragssystem zugeordnet, mit der Option, Erstattungsbeträge zu vereinbaren, die die Therapiekosten eines vergleichbaren Medikaments nicht übersteigen;
- Zusatznutzen vorhanden – das Arzneimittel ist eine Innovation und der Hersteller kann den Preis zunächst selbst festlegen. Direkt nach Markteintritt beginnen die Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, in denen ein angemessener Erstattungsbetrag ab dem 13. Monat (seit GKV-FinStabG1) ab dem 7. Monat) bestimmt wird;
- bei Uneinigkeiten entscheidet eine Schiedsstelle. Gegen diese Entscheidung kann Einspruch erhoben werden, worauf eine vertiefte Kosten-Nutzen-Bewertung folgen oder das Medikament vom Markt genommen werden kann.
Weitere Maßnahmen
- Weiterentwicklung der Rabattverträge und des Festbetragssystems nach Regeln des fairen Wettbewerbs, sowie juristische Vorbeugung kartellartiger Zusammenschlüsse von Vertragspartnern;
- Abbau von Bürokratie und Entlastung der Ärztinnen und Ärzte durch Aufheben der Bonus-Malus- und Zweitmeinungsregel sowie eine Verschlankung der Wirtschaftlichkeitsprüfung;
- Erhöhen der Transparenz durch die Veröffentlichung von Ergebnissen aus Klinischen Studien zu neuen Arzneimitteln innerhalb von sechs Monaten nach der Zulassung;
- Sparmaßnahmen für die Übergangszeit:
- Erhöhung des Herstellerabschlags von 6 auf 16 % bis Ende 2013;
- Stopp für Preiserhöhungen (= Preismoratorium);
- Senken des Großhandelszuschlags rezeptpflichtiger Arzneimittel für leistungsgerechte Vergütung des Großhandels ab 2012;
- Erhöhung des Apothekenabschlags für verschreibungspflichtige Arzneimittel je Packung von 1,75 auf 2,05 Euro bis zu einer Vertragslösung zwischen GKV-Spitzenverband und Apothekenverband ab 2013.
Weiterentwicklung des AMNOG
Das AMNOG hat seit 2011 einige Anpassungen erfahren:
2011 | GKV-Versorgungsstrukturgesetz
betroffen: Erstattungsbetragsverhandlungen.
2012 | 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
betroffen: Erstattungsbeträge; Dossier-Einreichung; Beratung des pharmazeutischen Unternehmens durch den G-BA.
2013 | 3. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
betroffen: zVT-Bestimmung; Bestandsmarktaufruf; Dossier-Einreichung; Erstattungsbetrag; Schiedsstelle.
2014 | 14. SGB V-Änderungsgesetz
betroffen: Aufhebung der Nutzenbewertung des Bestandmarkts; Erstattungsbetragsverhandlungen.
2015 | Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen
betroffen: Schiedsstelle.
2017 | GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz
betroffen: Privilegien für Kinderarzneimittel und Reserveantibiotika bzgl. des Nachweises eines Zusatznutzen; Nutzenbewertung des Bestandmarkts eingeschränkt wieder möglich; Integration der Nutzenbewertung in das Arztinformationssystem; Dossier-Einreichung; Erstattungsbetrag; Antragsverfahren; Soll-Regelung.
2019 | Terminservice- und Versorgungsgesetz & Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung
betroffen: Schiedsstelle; anwendungsbegleitende Datenerhebung bei Orphan Drugs; Qualitätsanforderungen für ATMP2); Berechnung der Umsatzschwelle bei Orphan Drugs; Bestimmung der zVT; Transparenz der Erstattungsbeträge.
2020 | GKV-Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz >> betroffen: Möglichkeit zur Freistellung von der Nutzenbewertung für Reserveantibiotika; Dossier-Einreichung bei ATMP; anwendungsbegleitende Datenerhebung; Risikopool zur Finanzierbarkeit hochpreisiger Arzneimittel; Erstattungsbetrag.
2022 | GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
betroffen: Senkung des Erstattungsbetrags bei neuen Arzneimitteln mit geringem oder nicht quantifizierbarem Zusatznutzen (Orientierung am Patentschutz der zVT); Erstattungsbeträge gelten rückwirkend ab dem 7. Monat nach Marktzulassung (AMNOG Version 2010: ab 13. Monat); Verlängerung des Preismoratoriums (bis Ende 2026); Reduktion der Umsatzschwelle für Orphan Drugs (von 50 auf 30 Mio. Euro).
2024 | Medizinforschungsgesetz (laufend, voraussichtlich Herbst 2024 in Kraft)
betroffen: Lockerung der Leitplanken (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) für Arzneimittel mit geringem bzw. nicht quantifizierbarem Zusatznutzen, bedingt durch die Durchführung der Klinischen Prüfungen mit 5 % Proband/-innen aus Deutschland; Einführung von Vertraulichen Erstattungsbeträgen für Unternehmen, die Arzneimittelforschung in Deutschland nachweisen können (Erprobungszeit bis 30.06.2028).